Start eines angesehenen Projektes
Heute startet in Schleswig-Holstein das über die Landesgrenzen hinaus als vorbildlich angesehene Projekt „Kompetenzzentrum Psychiatrische und Psychologische Justizgutachten“ (KPJ). Dazu hatte Justizministerin Kerstin von der Decken das Kabinett informiert und stellte es gemeinsam mit den Beteiligten in einem Pressegespräch in Kiel vor.
„Psychologische und psychiatrische Gutachten sind häufig von immenser Bedeutung für die Justiz und Strafverfolgung. Bundesweit gibt es einen Mangel an psychologischen und psychiatrischen Gutachterinnen und Gutachtern, der sich nicht einfach beheben lässt. Wir tun jedoch alles dafür, dass verfügbare Sachverständige und Justiz bestmöglich zusammenfinden und wir darüber hinaus mehr qualifizierte Gutachterinnen und Gutachter hinzugewinnen. Dass Gerichte und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein auf ein zentrales, fachlich fundiertes Angebot zur Gutachtervermittlung werden zurückgreifen können, ist ein deutlicher Fortschritt für eine effiziente Justiz. Das Projekt ist ein weiteres Beispiel dafür, wie die Bereiche Justiz und Gesundheit
wirkungsvoll Hand in Hand arbeiten
.“, erläutert Ministerin von der Decken.
Vermittlungsstelle ist ein wichtiger Teil
Ein wichtiger Teil des Kompetenzzentrums ist eine Vermittlungsstelle, um qualifizierte Sachverständige auf Anfragen aus der Justiz zu vermitteln. Die Vermittlungsstelle ist am Sitz der Ärztekammer in Bad Segeberg angesiedelt und konnte mit der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Victoria Witt besetzt werden. Grundlage hierfür ist eine freiwillige Kooperation unabhängig tätiger psychologischer, psychiatrischer und psychotherapeutischer Sachverständiger, die in Schleswig-Holstein von der Justiz beauftragt werden können. Zu Beginn der Arbeit wird die Vernetzung zu den Sachverständigen und Erstellung und Erweiterung eines entsprechenden Verzeichnisses im Fokus stehen. Sachverständige sind herzlich eingeladen, Kontakt aufzunehmen. Für alle beteiligten Akteure wird die Vermittlungsstelle ab sofort erreichbar sein unter www.kompetenzzentrum-justizgutachten-sh.de.
Dr. Gisa Andresen, ärztliche Geschäftsführerin der Ärztekammer Schleswig-Holstein, betont: „Wir wollen die Arbeitsschritte für Gerichte und Staatsanwaltschaften in Schleswig-Holstein verkürzen und diese entlasten. Dies ist ein Beitrag, damit Justiz und Sachverständige in der Praxis einfacher zusammenkommen. Zugleich werden wir uns im Rahmen des Projektes dafür einsetzen, mehr Nachwuchskräfte an das Gutachterwesen heranzuführen
“. Zu den Aufgaben des Kompetenzzentrums gehören daher neben der Vermittlung von Sachverständigen
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das Angebot und die Weiterentwicklung von Fortbildungen,
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interdisziplinäre Praxisaustausche der beteiligten Professionen,
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die Anleitung von Nachwuchskräften / Fallsupervision,
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Entwicklung und Erhalt von Fachwissen zur Nutzung für die Akteure.
Weiterer Bestandteil des Kompetenzzentrums ist ein interdisziplinär zusammengesetztes Fachgremium, das auch dazu beitragen soll, die Kommunikation der einzelnen Bereiche untereinander zu verbessern. Mitglieder sind Frau Prof. Dr. Silvia Gubi-Kelm, Fachpsychologin für Rechtspsychologie, Dr. Christine Heisterkamp, Forensische Psychiaterin und Oberstaatsanwalt Dr. Achim Hackethal, Staatsanwaltschaft Kiel. Das Fachgremium berät die Vermittlungsstelle beispielsweise bei strukturellen und fachlichen Fragen zur Ausrichtung, stellt Fachinformationen bereit und unterstützt im Bereich Fortbildung. Finanziert wird die Vermittlungsstelle des Kompetenzzentrums bei der Ärztekammer durch das Land anteilig mit 50.000 Euro jährlichu.a. für die geschaffene Facharztstelle.
Hintergrund: Psychologische oder psychiatrische Sachverständigeleisten mit ihren Gutachten einen wertvollen Beitrag für den justiziellen Alltag. Die Bewertung der Schuldfähigkeit, Prognoseentscheidungen im Justiz- und Maßregelvollzug, die Beurteilung der Glaubhaftigkeit von Zeugenaussagen sowie Entscheidungen, die das Umgangsrecht oder eine Kindeswohlgefährdung betreffen, sind Beispiele dafür. Alle Justizzweige sind auf zeitnah verfügbare psychologische und psychiatrische Sachverständige angewiesen. Zur Beschleunigung der Verfahren und Qualitätssicherung der Gutachten müssen qualifizierte Sachverständige für Behörden gut und schnell erreichbar sein. Anfang des Jahres 2025 hatten das Ministerium und die Ärztekammer die Einrichtung des Kompetenzzentrums wie mitgeteilt vereinbart.
Die Erstellung eines Gutachtens erfolgt in der Regel durch eine sogenannte Exploration, also durch ausführliche Gespräche mit den betroffenen Personen, ergänzt durch Aktenstudium und gegebenenfalls Testverfahren. Häufig nehmen die Sachverständigen auch an der Verhandlung vor Gericht teil, um ihr Gutachten zu erstatten und für Rückfragen zur Verfügung zu stehen. Ihre Einschätzungen haben großes Gewicht für die Entscheidungsfindung der Gerichte – sei es im Strafprozess, bei Unterbringungsfragen oder in familiengerichtlichen Verfahren.